Erklärung des Bundesrates zur Irak-Krise

Zur Irak-Krise vor der Vereinigten Bundesversammlung

Stellen Sie sich vor, es gibt Krieg, und keiner geht hin. Das wäre das Szenario, für welches sich die Bevölkerungen aller Länder der Welt entschieden hätten, wenn sie die Entscheidung hätten fällen können. Noch nie in der Geschichte der Menschheit gab es in den Wochen und Monaten vor Kriegsbeginn eine so gewaltige Antikriegsbewegung wie in diesem Fall. Millionen von Menschen gingen weltweit auf die Strassen und versuchten, den Krieg mit friedlichem Protest zu verhindern - erfolglos, wie die letzte Nacht gezeigt hat. Es sind die ersten Bomben auf Bagdad gefallen. Allen Protestbewegungen, allen Appellen an Vernunft und Diplomatie, allen verzweifelten Versuchen der Uno zum Trotz hat der Mann, der mit der grössten institutionellen, militärischen und ökonomischen Macht der Welt ausgestattet ist, entschieden, dass Bomben statt Diplomatie den Irak-Konflikt entscheiden sollen. Im Rückblick wird man wohl von der "Chronik eines angekündigten Krieges" sprechen müssen. Denn ganz offensichtlich war es Bush und seiner Administration von Anfang an klar, dass sie diesen Krieg wollten und dass sie die Diplomatie bewusst ins Abseits laufen liessen.

Wer wie Bush eine religiöse Mission zu erfüllen glaubt und Gott auf seiner Seite wähnt, ist rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich. Das ist das Wesen des Fundamentalismus: genau zu wissen, wer gut und wer böse ist, keine Zwischentöne zuzulassen und allen Andersdenkenden Schwäche und schlechte Motive zu unterstellen. Fundamentalisten, welche die Religion für ihre Zwecke instrumentalisieren und im Namen Gottes Kriege führen, haben immer schon Unheil über die Welt gebracht. Für uns ist es unglaublich, dass der erste Krieg im dritten Jahrtausend, der waffentechnisch auf dem Niveau von "Star Wars" ist, eine ideologische Begründung wie zu Zeiten der Kreuzzüge im tiefsten Mittelalter hat.

Warum genau Blair und Aznar sich ins Schlepptau Bushs nehmen liessen, bleibt für uns Grüne eine der unerklärlichen und unbeantworteten Fragen; aber dafür werden die beiden ihren Bevölkerungen noch einmal Rechenschaft ablegen müssen. Mit einem unerträglichen Gefühl der Wut, der Ohnmacht und der Trauer im Bauch bleibt uns hier nichts anderes übrig, als der gigantischen Kriegswalze auch weiterhin zivile und friedliche Mittel entgegenzusetzen, indem wir z. B. auf die Krieg führenden Länder mit Boykott reagieren, ihnen die Überflugrechte verweigern und - das ist ganz wichtig - die Folgen dieses Krieges für die Zivilbevölkerung mit humanitärer Hilfe und der grosszügigen Aufnahme von Kriegsflüchtlingen bewältigen helfen.

Herr Bundespräsident, wir sind froh, dass der Bundesrat vor zwei Tagen entschieden hat, dass die in der Schweiz lebenden irakischen Asylsuchenden vorläufig in der Schweiz bleiben dürfen, und bitten Sie, dass deren Angehörige unverzüglich auch bei uns Schutz erhalten, wenn sie gefährdet sind.

Wir können noch mehr tun. Herr Bundesrat, Sie müssen diesen Krieg unmissverständlich als völkerrechtswidrig verurteilen. Sie haben dabei die Schweizer Bevölkerung auf Ihrer Seite, wenn Sie das tun. Als Zeichen des Protests können Sie die Schweizer Botschafter aus den Krieg führenden Ländern zurückrufen. Rüstungsexporte in die Krieg führenden Länder, aber auch Importe aus diesen Ländern, müssen gestoppt werden.

Wir Grünen, die wir unsere Wurzeln in der pazifistischen Bewegung haben, sind felsenfest davon überzeugt, dass Krieg immer das falsche Mittel ist, um Konflikte zu bewältigen. Wir werden unbeirrt an dieser friedlichen Welt weiterbauen helfen, auch wenn im Moment diese Utopie weit entfernt erscheint. Als Mitglied der Uno haben wir wenigstens einige Mittel mehr dazu. Gut, dass wir dabei sind, auch wenn die Uno im Moment geschwächt ist; denn langfristig schützt uns als kleiner Staat nur das Völkerrecht, auch wenn im Moment die Waffen sprechen.

Für die Zivilbevölkerung hoffen wir inständig, dass dieser Krieg kurz sei. In Gedanken sind wir bei ihr.

Wir haben auch einen Ordnungsantrag für ein Schweigen eingereicht. Anne-Catherine Ménétrey wird ihn nachher noch begründen.

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