Asylgesetz. Teilrevision

Asylgesetz. Teilrevision

Die grüne Fraktion ist nicht für Eintreten auf das Asylgesetz, das uns hier vorgelegt wird, und zwar aus folgenden Gründen:

Die Revision bringt für Asylsuchende fast nur Verschlechterungen; eine einzige Ausnahme ist die Verbesserung der Rechtsstellung von vorläufig Aufgenommenen. Der Rest ist Rückschritt, und wie ich dieses Parlament einschätze, werden die hart ausgehandelten Kommissionsergebnisse in diesem Saal wahrscheinlich noch einmal verschärft werden. Da machen wir Grünen nicht mit.

Wir machen nicht mit, wenn in diesem Land so getan wird, als seien die Flüchtlinge das Problem Nummer eins. Wir machen nicht mit, wenn Asylsuchende als Sündenböcke missbraucht werden, die für jegliches Unbehagen in unserer Gesellschaft herhalten müssen. Wir wehren uns gegen die Diffamierung von Leuten, die Not und Gewalt entfliehen und in der Hoffnung auf eine gesicherte Zukunft zu uns kommen und dann pauschal als Schmarotzer und Asylmissbraucher diskreditiert werden. Wir verteidigen das Recht auf Asyl, weil wir aus der Geschichte unsere Lehren gezogen haben und nicht wollen, dass je wieder Menschen an unseren Grenzen abgewiesen und in Verhältnisse zurückgeschickt werden, in denen ihnen Tod oder Folter drohen. Das Recht auf Asyl betrachten wir als eine grosse Errungenschaft der Zivilisation, und dieses Recht verteidigen wir gegen immer wiederkehrende Versuche, es abzuschwächen und auszuhöhlen.

Wenn ich die Ausführungen von Bundesrat Blocher an der Pressekonferenz vom letzten Freitag richtig interpretiere, spielen Sie bereits mit dem Gedanken, das Recht auf das individuelle Stellen eines Asylgesuches sowieso mittelfristig abzuschaffen und nur noch die Aufnahme von Kontingentsflüchtlingen zuzulassen. Ich frage Sie, Herr Bundesrat: Ist diese Interpretation richtig? Ist das in Absprache mit dem Bundesrat geschehen? Ist das die Meinung des Gesamtbundesrates, und wie weit ist dieser neue Schritt der Verhärtung in der Asylpolitik schon gediehen? Es ist wichtig, dass Sie das hier deklarieren, damit wir genau wissen, was auf uns zukommt, denn diese scheibchenweise Verschlechterung des Rechtes auf Asyl erleben wir jetzt zum x-ten Mal, und das ist für uns mit ein Grund, auf diese neue Runde gar nicht mehr einzutreten.
Das aktuelle Asylgesetz ist bereits hart genug. Schon heute erhalten die wenigsten Asyl: Von 20 000 Gesuchstellerinnen und Gesuchstellern im Jahr 2003 erhielten weniger als 10 Prozent Asyl, genau waren es 1638 Personen.

Die Bedingungen, um in der Schweiz Asyl zu erhalten, sind ausserordentlich restriktiv. Nur wer individuelle Verfolgung glaubhaft machen kann, bekommt Asyl. Das heisst im Prinzip, dass man in seinem Herkunftsland zum politischen Kader gehört haben muss. Wer einfach einer verfolgten Gruppe angehört und Angst davor hat, auch noch dranzukommen, erhält kein Asyl. Wer das Pech hat, nicht vom eigenen Staat, sondern von einer marodierenden Bande verfolgt zu werden, erhält bis heute auch kein Asyl in der Schweiz. Wer als Frau eine Verfolgung in einer patriarchalen Welt erleidet, erhält bisher ebenfalls kein Asyl in der Schweiz. Die Absurdität dieser Praxis zeigt sich darin, dass es pro Jahr mehr Personen gibt, die eine vorläufige Aufnahme erhalten, als solche, die Asyl erhalten. Da stimmt doch etwas nicht! Wenn die Leute nicht in ihre Länder zurückgeschafft werden können, weil ihnen dort Verfolgung und Tod drohen, müssten sie doch eigentlich Asyl erhalten, statt in den prekären Status der vorläufig Aufgenommenen verwiesen zu werden.

Der Bundesrat verspricht in der Botschaft, nichtstaatliche Verfolgung als Asylgrund in Zukunft zuzulassen. Das wird aber mit einem Einzelantrag Müller Philipp bekämpft. Weil wir dazu nicht mehr sprechen können, bitte ich Sie jetzt schon, diesen Antrag abzulehnen.

Bei jeder Verschärfung des Asylgesetzes hat man den Leuten in der Schweiz gesagt, man würde dadurch das Problem des Missbrauchs in den Griff bekommen. Das Asylgesetz ist ein Gesetz, das pingelig genau Details regelt, die sonst höchstens auf Verordnungsebene geregelt würden, und wir führen diese Praxis jetzt fort. Man gibt vor, die Probleme mit Härte im Asylgesetz in den Griff zu bekommen, aber das Problem liegt doch an einem ganz anderen Ort: Solange die Kluft zwischen Reich und Arm so gross ist und immer grösser wird, so lange werden sich Menschen in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den Weg machen. Häufig sind wirtschaftliche Misere, Korruption und Armut mit politischer Instabilität und schweren Menschenrechtsverletzungen gekoppelt.

Wer nichts mehr zu verlieren hat und nur noch um sein Überleben kämpft, für den sind ein paar Monate hier in der Schweiz besser als gar nichts. Je höher die Hürden für diese Leute sind, im reichen Europa und in der reichen Schweiz Einlass zu finden, desto unwürdiger werden ihre Fluchtbedingungen und desto riskanter ihre Fluchtwege. Es werden täglich Leichen an den Südküsten Europas angespült - von Menschen, die nichts anderes suchten als das, was für uns selbstverständlich ist: ein anständiges Leben in Sicherheit und Würde.

Statt die Schere zu verkleinern, vergrössern wir sie. Wenn wir Entwicklungszusammenarbeit und Unterstützung davon abhängig machen, ob die betroffenen armen Länder ihre Landsleute, die die Schweiz ablehnt, zurücknehmen oder nicht, so ist das der falsche Weg. Statt den Leuten in der Schweiz vorzumachen, alles sei in den Griff zu bekommen, wenn wir nur unser Asylgesetz verschärfen, könnten wir ja auch über solche Zusammenhänge aufklären - das könnte auch eine Aufgabe der Politik sein - und so das Verständnis für die weltweite Situation und für die Situation dieser Leute wecken. Das wäre nach Meinung der grünen Fraktion eine humanitäre Politik, die diesen Namen noch verdient.

Ich bitte Sie im Namen der grünen Fraktion, nicht auf die Teilrevision des Asylgesetzes einzutreten.


Herr Blocher, Sie haben gesagt, dass Sie bereit seien, in Artikel 77 den Antrag der Mehrheit der Kommission zu übernehmen, der die Entwicklungshilfe von der Kooperation der Staaten abhängig machen will. Sie haben dann ausgeführt, was Sie alles unter Entwicklungshilfe verstehen. Ich möchte einfach fragen, ob ich das richtig verstanden habe. In Artikel 77 Absatz 4 heisst es: "Er kann die Entwicklungshilfe an diejenigen Staaten, die sich bei der Rückführung .... nicht kooperativ verhalten, ganz oder teilweise streichen." Jetzt verstehen Sie aber unter "Entwicklungshilfe" viel mehr, als ich bisher darunter verstanden habe. Würden Sie es bitte noch einmal ausführen, damit wir es alle genau verstehen?


Ich spreche zu drei Minderheitsanträgen bei Artikel 6a Absätze 3, 4 und 5, welche die Drittstaatenregelung betreffen. Dabei geht es um Folgendes: Mit der Drittstaatenregelung führen wir ja einen eigentlichen Paradigmawechsel ein, indem der Entscheid, ob jemand zum Asylverfahren zugelassen wird, nicht mehr von den Asylgründen abhängig sein wird, sondern vom Weg, auf dem die betreffende Person in die Schweiz gelangt ist. Das ist an sich eine problematische Neuerung, und deshalb möchte ich ein paar Sicherungen einbauen, um das Problem etwas zu entschärfen. Denn ich gehe davon aus, dass diese Drittstaatenregelung in diesem Parlament eine Mehrheit findet.

Mit einer Ergänzung zu Absatz 3 soll der Bundesrat zur Beurteilung der Sicherheit der als sicher bezeichneten Drittstaaten das UNHCR, die Eidgenössische Kommission für Flüchtlingsfragen, anerkannte Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen anhören. Das UNHCR beobachtet ja als Hüterin der Genfer Flüchtlingskonvention die Anwendung dieser Konvention in allen Staaten. Deshalb ist das UNHCR am kompetentesten und am unabhängigsten, wenn es darum geht, die wirkliche Sicherheit von Drittstaaten beurteilen zu können.
Mit ihrer Ergänzung zu Absatz 4 möchte die Minderheit, dass die Liste der sicheren Drittstaaten sowie der sicheren Herkunftsstaaten regelmässig veröffentlicht wird. Die Aufnahme eines Landes in die Liste der sicheren Staaten sowie die Bezeichnung der Drittstaatensicherheit im Einzelfall sollte mit dem Hinweis auf die Quellen begründet werden - und das sollte ja, wenn wir in der Bundesverwaltung zum Öffentlichkeitsprinzip übergehen, eine Selbstverständlichkeit sein. Heute sind nämlich diese Begründungen und Beurteilungen nicht öffentlich zugänglich.

Mit dem Zusatz zu Absatz 5 schlägt Ihnen die Minderheit vor, gemäss dem Legalitätsprinzip der Bundesverfassung die Kriterien der Drittstaatensicherheit im Gesetz zu definieren, weil uns die blosse Erwähnung in der Botschaft ungenügend erscheint. Ich möchte dabei Kriterien einführen, wie ich sie in den Buchstaben a bis d vorschlage: zum Beispiel, dass ein sicherer Drittstaat ein Staat sein muss, der die vorbehaltlose Ratifizierung der Flüchtlingskonvention oder der EMRK vollzogen hat, dass er gemäss Buchstabe b effektiv die Anwendung und Einhaltung der Flüchtlingskonvention garantiert, dass er - Buchstabe c - politisch stabil ist und dass - Buchstabe d - der in den Drittstaat zurückgeschobene Asylsuchende Zugang zu einem vergleichbaren Verfahren hat, was die Rechtssicherheit anbelangt.

Die Botschaft verweist auf den entsprechenden EU-Richtlinienentwurf, der eine ausführliche Definition der Kriterien für die Bestimmung sicherer Drittstaaten enthält. Diese Kriterien gehen weiter als die blosse Berücksichtigung des blossen Non-Refoulements. Verlangt wird insbesondere ein gesetzlich festgeschriebenes Asylverfahren, das verschiedenen Mindestanforderungen zu genügen hat. Mit dem Verweis auf ein mit dem schweizerischen Asylverfahren vergleichbares Asylverfahren im Drittstaat, wie ich es mit meinem Minderheitsantrag in Buchstabe d vorschlage, kann dieser Anforderung Rechnung getragen werden.

Deshalb bitte ich Sie, meinen Minderheitsanträgen zuzustimmen. Sie stellen nicht die Drittstaatenregelung infrage, sondern bauen lediglich ein paar Sicherungen für dieses problematische neue Instrument ein.

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