Interview zur Atomausstiegsinitiative

| erschienen in WWF-Magazin, Regionalbeilage Zentralschweiz, 3 / 2016

Alternativen zur lebensfeindlichen Atomenergie: Sonne, Wind und Wasser

WWF: Sie waren von 1991 bis 2005 Nationalrätin der Grünen, zwölf Jahre davon Präsidentin der Grünen Fraktion. Sie sind auch eine Kämpferin der ersten Stunde gegen die Atomkraft. Nun sind Sie pensioniert. Trotzdem kämpfen Sie als Greenpeace-Stiftungsratspräsidentin immer noch an vorderster Front im Initiativkomitee der Atomausstiegs- Initiative. Was motiviert Sie zu diesem Kampf?
Cécile Bühlmann: Der Kampf gegen die Atomenergie ist noch nicht ausgestanden! Die Schweizer Politik hat nach Fukushima nur festgelegt, dass keine neuen AKW mehr gebaut werden dürfen. Aber sie hat sich bisher geweigert, das Abschalten der bestehenden AKW festzulegen. Deshalb sind wir in einer extrem gefährlichen Phase: Der älteste AKW-Park der Welt soll nach dem Willen der Politik unbeschränkt weiterlaufen können. Das birgt enorme Risiken und das will ich verhindern helfen, deshalb mache ich bei der Atomausstiegsinitiative mit.

Welches sind für Sie die Hauptgründe, der Atomkraft den Rücken zu kehren?
Das Hauptargument ist die Gefährlichkeit. Zwei grosse Atomkatastrophen in weniger als 30 Jahren beweisen, dass diese Technologie nicht beherrschbar ist, deshalb müssen wir unbedingt so rasch als möglich aussteigen. Das zweite Argument ist die brisante Hinterlassenschaft dieser Technologie: Atommüll, der Jahrtausende strahlt und Generationen von Menschen nach uns immer noch bedroht. Auf der ganzen Welt ist noch kein einziges Endlager erstellt worden und das wird wahrscheinlich so bleiben. Dafür gibt es zwei Gründe: Der Widerstand der Menschen verhindert es und die Geologie verunmöglicht es.

Hat sich das Engagement der Gesellschaft gegen die Atomkraft Ihrer Meinung nach im Laufe der Zeit verändert? Wenn ja, in welcher Art und Weise?
Nach Tschernobyl erlitt die Atomkraft ihren ersten grossen Reputationsschaden. Aber da konnte man noch sagen, dass halt die damalige Sowjetunion technisch nicht auf der Höhe sei, so wie die Schweiz, und nach kurzer Zeit wieder zur Tagesordnung übergehen. Nach Fukushima ging das nicht mehr, denn diesmal passierte der Supergau im hoch technologisierten Japan. Seither ist die Atomtechnologie bei vielen Menschen deinitiv in Verruf geraten und es wird sicher nie mehr ein AKW in der Schweiz gebaut. Das ist ein grosser Wandel, denn wir dürfen nicht vergessen, dass vor Fukushima Pläne für neue AKW auf dem Tisch lagen, nach Fukushima hat die Schweizer Politik den Bau neuer AKW aber verboten.

Der schlimme Reaktorunfall von Fukushima geschah erst vor fünf Jahren. Wenn man die Debatten im Schweizer Parlament zur Energiestrategie verfolgt oder die Revisionen der Energiegesetze in den Kantonen, wird man das Gefühl nicht los, dieser Gau wäre hierzulande auch von der Politik schon längst wieder vergessen. Empinden Sie dies auch so?
Natürlich ist die Politik insgesamt kurzlebiger und vielleicht auch vergesslicher geworden. Kein Wunder, wenn durch den Einsatz neuer Medien neue Katastrophenmeldungen in immer kürzerer Kadenz auf uns niederprasseln! Aber trotzdem glaube ich, dass ausser bei ein paar Atomnostalgikern und Technologiegläubigen die Atomenergie deinitiv ihre Glaubwürdigkeit verloren hat.

Die Atombranche hingegen liebäugelt teilweise sogar damit, dass die Initiative erfolgreich wäre. Patrick Dümmler, Ökonom und Energieexperte bei der Denkfabrik Avenir Suisse, sagte Ende Mai: «Die Stromkonzerne sind, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, vielleicht sogar daran interessiert, dass die Initiative angenommen wird. Denn das würde den AKW-Betreibern allenfalls die Möglichkeit eröfnen, beim Bund Schadenersatz für die vorzeitige Abschaltung einzufordern.» Wie stellen Sie sich dazu?
Das finde ich eine ziemlich unverfrorene Forderung! Stellen Sie sich mal vor, die Stromkonzerne Alpiq und Axpo, in deren Besitz die AKW sind, müssen heute schon ihren Atomstrom unter dem Gestehungswert verkaufen! Das heisst, er ist heute schon ein Verlustgeschäft und mitverantwortlich, dass die Alpiq und die Axpo tiefrote Zahlen schreiben. Es wird sogar gemunkelt, dass diese Stromkonzerne Konkurs gehen könnten. Und jetzt soll die Politik, weil sie zum Schutz der Bevölkerung das Abschalten der AKW verlangt, für dieses ruinöse Atomgeschäft auch noch bezahlen! Eine ganz seltsame Logik, für ein unrentables Geschäft noch Schadenersatz zu verlangen. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden wahrscheinlich auch sonst noch für das unverantwortliche Wirtschaften der Stromkonzerne aufkommen müssen, sollte sich nämlich die Einschätzung atomkritischer Organisationen bewahrheiten, dass viel zu wenig Mittel für den Rückbau der AKW beiseitegelegt worden sind.

Was braucht es, dass die kommende Initiative erfolgreich wird und das Volk endlich dazu bewegt, mit der überholten Gewinnung von Energie aus Atomkraft aufzuhören?
Es braucht clevere und witzige Aktionen, um die Leute auf diese Zusammenhänge aufmerksam zu machen und aufzuzeigen, welches die Alternativen zur lebensfeindlichen Atomenergie sind: Sonne, Wind und Wasser. Sie sind ungefährlich und stehen unbegrenzt zur Verfügung.

Das Interview wurde schriftlich geführt. Die Fragen stellte Kurt Eichenberger, WWF LU

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