Eine Frau sucht den Durchblick

| Glückspost Nr. 18

Ein Exklusiv-Interview

Sie politisiert grün und kleidet sich bunt. Die Fraktionschefin der Grünen versucht im Berner Politdschungel knallhart und konsequent ihre politischen Ziele zu erreichen. Sie kämpft für kulturelle Minderheiten in der Schweiz und für die Frauen.

GLÜCKS-POST: Sitzen Sie als Feministin oder als Grüne im Parlament?
Cécile Bühlmann: Feminismus und grüne Positionen sind kein Widerspruch. Im Gegenteil: Im grünen Programm ist die Gleichstellung der Geschlechter eine zentrale Frage. Ich persönlich bin über den Feminismus und nicht über den Umweltschutz zur Grünen Partei gekommen.

Gibt es keine grünen Machos?
Doch, selbstverständlich. Dennoch stellt grüne Politik eine Herrschaftskritik dar, eine Kritik am Umgang mit den Ressourcen. Und gerade weil Männer weniger Sorge tragen zur Umwelt, stärker beteiligt sind an der Ausbeutung der Natur, hat das Zusammengehen von grüner Politik und Feminismus für mich eine ganz starke Bedeutung.

Politisieren Grüne denn tatsächlich so anders als die anderen, beispielsweise die Bundesratsparteien?
Sicher. Wir sind keiner Lobby verpflichtet und können unsere Anliegen völlig unabhängig vertreten. Natürlich gibt es auch andere Nichtregierungs-Parteien. Wir sind aber die grösste.

Sie sind zwar keiner Lobby verpflichtet, haben dadurch aber auch weniger Einfluss?
Das ist der Preis, den wir bezahlen.

Ist das manchmal nicht etwas frustrierend?
Ich verstehe unsere Rolle anders: Wir speisen zukunftsweisende, neue Ideen in den politischen Prozess ein. Gerade im schweizerischen System reifen solche Prozesse ja über Jahre, und da spielen wir eine wichtige Rolle.

Ihr Erfolg hält sich aber in Grenzen.
Das ist ja eben das Problem, dass wir jeweils nicht als Partei die Erfolge verbuchen können, weil andere unsere Ideen aufgreifen und umsetzen.

Die Grünen unterstützen die Genschutz-lnitiative. Bei einem Ja gingen viele Arbeitsplätze in der Schweiz verloren? Haben Sie dennoch ein gutes Gewissen?
Absolut. Diese Angstmacherei mit dem Arbeitsplatzabbau kennen wir. Es gibt für mich jedoch ethische Grenzen, wie beim Eingriff ins Erbgut. Produktionen für den Tod, wie die Waffenherstellung, kann ich nicht mit dem Arbeitsplatzargument rechtfertigen.

Würden Sie gegenüber Langzeitarbeitslosen auch so argumentieren?
Selbstverständlich, nicht jeder Arbeitsplatz ist ethisch, moralisch zu rechtfertigen. Die Arbeitslosen sind ja eben gerade Opfer einer verfehlten Politik. Die Arbeitslosigkeit bekommen wir nur mit einer Arbeitszeitverkürzung in den Griff.

Was ist zurzeit das grösste Problem unserer Gesellschaft? Sicher die Arbeitslosigkeit. Verliert man die Arbeit, verliert man in unserer Gesellschaft einen zentralen Teil des Lebenssinns, man ist ausgeschlossen.

Gilge das Ihnen auch so?
Ja, sicher. Ich hätte das Gefühl, nichts mehr wert zu sein, nicht mehr gebraucht zu werden.

In den USA ist das Privatleben von Bill Clinton zu einer Staatsaffäre geworden. Stehen Sie auf der Seite jener angeblichen Geliebten, die mit Enthüllungen über den Präsidenten aufwarten?
Diese ganze Geschichte interessiert mich nicht im geringsten. Sollte allerdings tatsächlich ein sexueller Missbrauch stattgefunden haben, dann wäre das schon ein öffentliches Thema. Ich kann von hier aus einfach nicht beurteilen, was wahr ist. Mich interessiert Clintons Aussenpolitik deshalb mehr als solcher Klatsch.

Muss Clinton zurücktreten, wenn er die Unwahrheit gesagt hat?
Sollte Clinton seine Angestellte sexuell genötigt haben, dann ist er als Präsident untragbar. Für mich wiegt dieser Sachverhalt stärker als eine unwahre Aussage oder die Anstiftung zu Meineid.

In der Schweiz ist das Liebesleben der Politiker weitgehend tabu. Richtig so?
Grundsätzlich ja. Das Liebesleben sollte nur dann zum Thema werden, wenn Politiker etwas vertreten und gleichzeitig ganz und gar nicht danach leben. Sollte einer beispielsweise homosexuell sein und politisch aber gegen diese Gruppe kämpfen, dann müsste man das öffentlich machen.

Ist der St. Galler Professor Meier-Schatz als Lehrkraft und Mitglied der Bankenkommission noch tragbar, nachdem seine Langzeit-Affäre mit einer Prostituierten publik geworden ist?
Wenn ich seine Frau wäre, würde ich ihn sicherlich zum Teufel jagen. Würde man ihn jedoch als Professor entlassen, müssten sehr viele andere auch gehen. Er ist ja nicht der einzige, der Bordelle besucht. Mich interessiert in diesem Zusammenhang viel mehr das Frauenbild dieser Männer, die ins Bordell gehen und sich eine Frau kaufen. Das macht mir Mühe!

Sollte Ihr Lebenspartner einmal zu einer Prostituierten gehen, dann müsste er gar nicht mehr nach Hause kommen?
Ja, ganz sicher nicht! Sich eine Frau zu kaufen, ist Ausdruck patriarchalischer Machtverhältnisse.

Sie vertreten einen hohen ethisch-moralischen Kodex. Wollen Sie als Politikerin die Welt verbessern?
Ja, wenn dies Gleichberechtigung für Männer und Frauen, Umweltbewahrung für künftige Generationen oder Schutz der Minderheiten heisst, dann will ich tatsächlich die Welt verbessern.

Wäre die Welt besser, wenn nur Frauen in den Regierungen und Parlamenten sässen?
Die Welt sähe bestimmt anders, nach meinem Verständnis besser, aus. Frauen denken ganzheitlich und nicht nur an kurzfristige Börsengewinne.

Was bedeutet Ihnen Heimat?
Heimat ist der Ort, wo ich ein enges Netz von Freundinnen und Freunden habe. Das ist heute für mich Luzern, hätte aber auch irgendwo anders sein können. Mit zwanzig wollte ich nach Italien auswandern. Ich bekam dann aber eine interessante Arbeit in Luzern angeboten, bin bis heute hier geblieben und habe mir mein Beziehungsnetz hier aufgebaut. Heute fühle ich mich zu alt, um noch einmal woanders neu zu beginnen.

Reisen Sie gerne?
Ich reise sehr gerne, allerdings möglichst nicht per Flugzeug. Ich unternehme gerne Velotouren der Donau oder der Loire entlang. Jedes Jahr unternehmen wir eine solche Tour. Hie und da besuche ich meine Schwester, die in Sizilien lebt. Dorthin reise ich möglichst per Bahn und Schiff.

Gibt es ein Land, das Sie nicht besuchen, weil Sie das Flugzeug nehmen müssten?
Ja, Indien würde ich gerne einmal bereisen. Ich sehe mir als Kompensation leidenschaftlich gerne schöne Reisedokumentationen im Fernsehen an.

Wieviel Wert legen Sie auf öffentliches Ansehen?
Ich geniesse es, dass mir als Nationalrätin Türen aufgehen, die sonst geschlossen bleiben würden. So kann ich am aktuellen politischen Geschehen aktiv teilnehmen und an vielen Orten eigene Ideen einbringen. Ich würde aber niemals an irgendwelchen Veranstaltungen teilnehmen, nur weil man sich dort zeigt.

Sie sind Fraktionschefin der Grünen in Bern. Was bedeutet Ihnen Macht?
Das Mandat verleiht mir nicht eigentliche Macht. Es gibt mir aber die Möglichkeit, mich mitzuteilen. Dank meinem Nationalratsmandat hören mir die Leute eher zu.

Die Grünen zerfleischen sich selbst. In Zürich lag die Partei während Monaten im Clinch mit ihrer Regierungsrätin Verena Diener. Auch der neue Präsident Ruedi Baumann wird vom fundamentalistisch-antieuropäischen Flügel abgelehnt. Ist die Zerreissprobe unabwendbar?
Ich habe sehr darunter gelitten, dass auch bei uns so hart auf persönlicher statt auf inhaltlicher Ebene gekämpft worden ist. Ich war immer der Auffassung, bei den Grünen würde so etwas nicht passieren. Deshalb hat sich bei mir eine gewisse Ernüchterung eingestellt. Die personellen Fragen sind nun jedoch gelöst, und auch in Zürich hat sich die Situation wieder beruhigt.

Ein heikles Problem für die Grünen sind die bilateralen Verhandlungen mit der EU. In Zukunft sollen ausländische Vierzigtönner in der Schweiz zirkulieren können. Und beim Preis für die Transitdurchfahrt musste sich die Schweiz dem Diktat der EU beugen. Ist der Bundesrat zuwenig hart?
Selbstverständlich sind wir von Bundesrat Leuenberger enttäuscht, da er uns in ein Dilemma stürzt. Wir wissen, dass wir in Europa mitmachen müssen. Der freie Personenverkehr ist für uns ein wichtiges Postulat. Wenn wir uns nur gegen den Transitvertrag stellen könnten, dann würden wir das sicher tun. Zum ausgehandelten Preis von 325 Franken für eine Fahrt von Basel nach Chiasso bringen wir die Lastwagen nicht auf die Schiene. Leider ist es aber so, dass man entweder das Gesamtpaket ablehnt oder unterstützt.

Werden Sie ein mögliches Referendum der Lastwagenlobby unterstützen?
Das ist noch offen, aber nicht ausgeschlossen.

Sie sind kämpferisch und engagiert. Können Sie das Leben auch geniessen?
Ja, sicher. Ich kann das Leben sehr gemessen, besonders in den Ferien. Da kann ich faulenzen, kartenspielen, lesen oder kochen. Ich bewirte sehr gerne Gäste.

Ihr Lieblingsgericht?
Ich liebe die italienische Küche.

Essen Sie alles?
Wenn ich selber bestimmen kann, dann ernähre ich mich vegetarisch. Allerdings mache ich daraus keine Religion.

Ihr Lieblingsgetränk?
Im Alltag Mineralwasser und Kaffee, bei besonderen Anlässen trinke ich gerne Wein.

Hat Ihr Lebenspartner auch eine kämpferische Ader wie Sie?
Nein, er ist eher ein ruhiger Typ.

Sie sind immer sehr gut angezogen. Geben Sie viel Geld für Kleider aus?
Ich gebe wohl eher etwas mehr aus als der Durchschnitt, nicht zuletzt deshalb, weil ich oft in der Öffentlichkeit auftrete.

Was tragen Sie am liebsten?
Ich trage am liebsten zwei Farben. Diese ziehe ich dann von den Schuhen über die Tasche bis zur Brille durch.

Ihre Lieblingsfarbe?
Ich liebe alle starken Farben: Rot, Grün, Blau, Gelb und Violett. Ich besitze kein einziges pastellfarbenes Kleidungsstück.

Was bedeutet Ihnen Geldverdienen?
Ich geniesse es, mir schöne Dinge leisten zu können. Ich würde aber niemals Geld im grossen Stil anlegen oder Aktien kaufen. Das Geld, das ich verdiene, gebe ich grosszügig aus - auch für wohltätige Zwecke.

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