Referat zum Flüchtlingstag

Asyl ist Menschenrecht

16. Juni 2005 auf dem Kapellplatz Luzern

Wir kommen hier heute zusammen, um mit Flüchtlingen einen Tag zusammen zu feiern und um uns daran zu erinnern, dass die Schweiz nicht nur Heimat für Einheimische mit CH-Pässen ist, sondern auch für Menschen, die aus ihren Ländern vertrieben worden sind, weil dort Krieg und Terror herrscht.

Es ist ganz wichtig, diesen Tag miteinander zu begehen, die Anwesenheit der Flüchtlinge aus aller Welt einmal in ihrer ganzen Buntheit sichtbar zu machen und uns mit ihnen zusammen an ihren Speisen und Tänzen zu freuen. Dafür, dass die Caritas Luzern zusammen mit dem SAH Zentralschweiz diesen Anlass jedes Jahr wieder durchführt und zu einer schönen Tradition hat werden lassen, gebührt den beiden Organisationen herzlicher Dank.

Schlechte Zeiten für Flüchtlinge in Europa und in der Schweiz

Es ist besonders wichtig, auch in widrigen Zeiten dieses Zeichen zu setzen und daran zu erinnern, dass es nicht nur darum geht, die exotischen Speisen und Tänze zu konsumieren, sondern uns auch daran zu erinnern, dass Flüchtlingen und vor allem Asylsuchenden heute in unserem Land ein eisiger Wind entgegen schlägt. Während weltweit Millionen von Menschen auf der Flucht sind, geht bei uns Zahl der Asylsuchenden in der letzen Zeit stark zurück. Eine Erklärung dafür ist, dass in den Gebieten, aus denen in den letzten Jahren vor allem grosse Flüchtlingsgruppen zu uns kamen, so etwa wie ein labiler Frieden herrsche - Sri Lanka, Bosnien, Kosova - und dass aus den heutigen Kriegsgebieten wie Darfur oder Kongo praktisch keine oder wenig Flüchtlinge zu uns kommen. Diese Erklärung greift aber zu kurz: die laufenden Verschärfungen und die abweisende Haltung eines Teils der Behörden und der Bevölkerung tragen sicher auch das ihre dazu bei, dass Leute auf der Flucht einen anderen Zufluchtsort suchen müssen.

Nur wird es dabei in ganz Europa immer enger, die Festung Europa schottet sich zunehmend ab, so dass immer weniger Flüchtlinge überhaupt auf die Wohlstandsinsel Europa gelangen. Im Weltmassstab sind wir das immer noch! Und viele, die es trotzdem noch versuchen, riskieren in halsbrecherischen Überfahrten im Mittelmeer ihr Leben oder erliegen schon vorher beim Durchqueren der Wüste Afrikas den Strapazen. Von vielen dieser Schicksale erfahren wir gar nichts, weil sie keine Schlagzeilen wert sind und unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit passieren.

Zurück zur Situation in der Schweiz:
Vor kurzem stellte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Alvaro Gil-Robles, der Schweiz zwar ein gutes Zeugnis aus, die Menschenrechte in der Schweiz würden im Allgemeinen gut respektiert, aber nicht zufrieden äusserte er sich zur Schweizer Asyl- und Ausländerpolitik. Der Menschrechtsbericht weist auf die zunehmende Aushöhlung von Grundrechten für ausländische Personen in der Schweiz hin – seien dies Asylsuchende, Sans-Papiers oder Menschen mit geregeltem Aufenthaltsstatus. «Die Schweiz muss Acht geben, nicht in eine repressive und unreflektierte Politik zu verfallen. Deshalb sollen Asylsuchende ein Recht auf ein Verfahren haben, das diesen Namen auch verdient», sagte Gil-Robles.

Wenn die Asylgesetzrevision in der vorgesehenen Form durchkommt, schafft sie noch mehr Sans-Papiers, verschlechtert die Lebensbedingungen von Flüchtlingen und beraubt sie ihrer Rechte und ihrer Würde. Schon heute sind viele Menschen, auf deren Gesuch nicht eingetreten wurde, ohne Obdach, ohne Gesundheitsversorgung und ohne Nothilfe. Verschiedene vom Ständerat im März 2005 bereits abgesegnete Gesetzesänderungen widersprechen oder ritzen zu mindestens die Schweizer Verfassung und die Genfer Flüchtlingskonvention.

Worum geht es im Einzelnen genau?

Ausdehnung Sozialhilfestopp: Seit April 2004 gibt es den Sozialhilfeentzug für Flüchtlinge mit Nichteintretensentscheid (NEE). Schweizweit berichten Regierungsräte und Stadträte von mehr Schwarzarbeit, Obdachlosigkeit, Abdrängung in den illegalen Aufenthalt. Frauen droht Ausbeutung, und Kinder wachsen unter menschenunwürdigen Bedingungen auf. Mit der Ausdehnung des Sozialhilfestopps auf alle abgewiesenen Asylsuchenden – auch auf solche, die ohne eigenes Verschulden nicht ausreisen können – wird Migration nicht verhindert, aber das Leid der Menschen und die Kosten für die Gesellschaft grösser. Es ist intelligenter, abgewiesene Asylsuchende in ein funktionierendes Asylsystem einzubinden statt sie auszuschliessen. So sind sie von staatlichen Stellen erreichbar, und es besteht die Chance, sie zur Ausreise zu bewegen oder in der Schweiz zu integrieren.

Verweigerung der Nothilfe: Am 18. März 2005 entschied das Bundesgericht, dass Kantone auf jeden Fall zur Leistung von Nothilfe verpflichtet sind. Dazu gehören Ernährung, Unterkunft, Bekleidung sowie die medizinische Versorgung für Notleidende. Somit ist klar, dass die Asylverschärfungen des Ständerat vom März 2005 verfassungswidrig sind. Ungehorsam gegenüber dem Staat – zum Beispiel mangelnde Kooperation in einem Asylverfahren – kann allenfalls juristisch belangt werden, darf aber nie Menschenwürde und Existenz gefährden.

Einschränkung der humanitären Aufnahme: Die humanitäre Aufnahme wurde noch 2004 von Bundesrat und Parlament im Gesetz verankert. Heute erhalten Bürgerkriegsflüchtlinge mit «konkreter Gefährdung» Schutz, künftig nur solche mit «Existenzgefährdung». Schwer Traumatisierten, Kranken, unbegleiteten Minderjährigen oder Frauen, die bei der Rückkehr zu Prostitution gezwungen werden, droht die Ausschaffung. Es können also Menschen zurückgeschafft werden, die zwar in ihren Herkunftsländern keiner Todesgefahr ausgesetzt sind, aber durch Repression keinen Zugang zu Bildung, Gesundheitswesen, Arbeit oder Familie haben.

Einreise ohne Papiere: Asylgesuche sollen nur bei Vorliegen von Reisepapieren geprüft werden. So werden tatsächlich Verfolgte vom Verfahren ausgeschlossen. Aber gerade in Unrechtsstaaten oder Kriegsgebieten ist es kaum möglich, amtliche Ausweise zu erhalten. Kommt hinzu, dass 40 Prozent der Weltbevölkerung über keine Reisepapiere verfügt – meist weil ihre Länder aus administrativen oder finanziellen Mängeln, dazu schlicht nicht in der Lage sind. Ein weiterer Grund: über ein Drittel der Menschheit verfügt nicht mal über eine Geburtenregistrierung, wodurch vielen der Zugang zu Bildung, das Wahlrecht oder eben das Recht auf einen Ausweis verweigert wird.

Eingeschränkter Zugang zum Gesundheitswesen: Die Schweizer Ärztevereinigung FMH verurteilt die Einschränkung von Pflichtleistungen der Krankenversicherer als skandalös. Keinem Menschen darf die notwendige medizinische Grundversorgung vorenthalten werden.

Beugehaft: Ein Bericht der Bundes-Verwaltungskontrolle zu den Zwangsmassnahmen zeigt: Je länger eine Person in Haft, desto geringer die Rückführungsquote. Und die Häufigkeit der Anordnung von Ausschaffungshaft hat keinen Einfluss auf die Rückführungserfolg. Das SAH lehnt die vorgeschlagenen Haftverlängerungen auf zwei Jahre ab. Sie sind untauglich, menschlich fragwürdig und führen zu höheren Kosten.

Eine Umkehr ist möglich!

Der Menschenrechtskommissar des Europarates ist besorgt über die Einhaltung der Menschenrechte im Asylbereich in der Schweiz.

Zur Wahrung der Menschenrechte im Asylbereich empfiehlt der Kommissar des Europarates u.a:

  • die humanitäre Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen und weiteren Personen einzuführen
  • nicht-staatliche Verfolgung anzuerkennen
  • auf den Nichteintretensgrund der Papierlosigkeit zu verzichten
  • den Sozialhilfestopp nicht auszudehnen und Personen mit Nichtein-tretensentscheid Zugang zu Sozialhilfe zu gewähren
  • die Maximaldauer der Haft zu verkürzen statt zu verlängern

Gut wäre es, wenn Parlament und Behörden diese Kritik ernst nähmen. Noch gibt es die Möglichkeit, den begonnenen Verschärfungskurs zu korrigieren. Wir haben es in der Hand. Nächster Donnerstag tagt die Staatspolitische Kommission des Nationalrates. im Herbst wird der Nationalrat entscheiden, ob er die vom Ständerat eingeführten Verschärfungen übernimmt. Die Zeichen stehen schlecht! Reden Sie mit Politikern, die Sie kennen, damit sie dies nicht mittragen und sich dagegen einsetzen! Wir stehen an einem Scheideweg, es geht um viel, nämlich darum, dass die Schweiz ihre humanitäre Tradition aufgibt und ein Asylrecht schafft, das diesen Namen nicht mehr verdient!

Mit einer Absage an diesen Verschärfungskurs wäre allen hier anwesenden Flüchtlingen und denen die noch kommen werden, am meisten gedient. Damit es nicht nur beim Geniessen guten Essens und schöner Musik und Tänze bleibt, sondern dass die Grundrechte nicht verletzt wird und das Recht auf Asyl bestehen bleibt!

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