Gewalt gegen Frauen

Strukturelle und direkte Gewalt

Referat im Rahmen der Treffen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 19. Und 20. November 2009

1. Direkte und strukturelle Gewalt gegen Frauen

Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter
Wenn wir von Gewalt gegen Frauen sprechen, dann tauchen rasch einmal solche Bilder in uns auf: Frauen die von ihren Partnern geschlagen und mit Waffen bedroht werden, Frauen und Mädchen, die im Namen der «Ehre» umgebracht werden, Vergewaltigung, Stalking, Zwangsprostitution, Frauenhandel, Zwangsheirat, sexuelle Verstümmelung, geschlechtsspezifische Gewalt als Kriegswaffe in bewaffneten Konflikten. In all diesen Fällen ist Gewalt direkt erkennbar.

Hingegen nicht auf den ersten Blick sichtbar ist die indirekte oder strukturelle Gewalt. Sie äussert sich in ungleichen Machtverhältnissen und folglich ungleichen Lebenschancen. Zu ihr gehören Diskriminierung aufgrund des Geschlechts wie Lohnungleichheit, Nichtbeförderung am Arbeitsplatz oder das Fehlen eines zivilstandsunabhängigen Aufenthaltsrechts für Migrantinnen.

2. Die Verpflichtung der Schweiz, sich gegen Gewalt zu engagieren

Im Jahr 1997 hat die Schweiz die internationale Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) ratifiziert. Diese bezeichnet «physische, sexuelle und psychologische Gewalt innerhalb der Familie oder der Gesellschaft …» als Gewalt gegen Frauen. Die UNO-Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen von 1993 sieht in der Gewalt gegen Frauen «eine Ausdrucksform der historisch ungleichen Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen, die zur Beherrschung und Diskriminierung der Frauen durch die Männer geführt hat». Mit der Unterzeichnung von CEDAW ist die Schweiz die bindende Verpflichtung eingegangen, sowohl die direkte wie auch die indirekte Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen.

So sind denn auch in den letzten Jahren eine ganze Reihe rechtlicher Instrumentarien entwickelt und eingeführt worden, um dieser Verpflichtung nachzukommen, wie die Strafverfolgung wegen Vergewaltigung in der Ehe - und zwar als Offizialdelikt - , bessere Unterstützung der Opfer in Verfahren, Wegweisung der gewaltausübenden Person aus der gemeinsamen Wohnung, Verbesserungen im Opferhilfegesetz. Im Ausländerrechts wurde leider nur eine viel zu wenig weit gehende und in der Praxis mit riesigen Hürden verbundene minimale Verbesserung des Aufenhaltsstatus ausländischer Opfer häuslicher Gewalt eingeführt. In der Stellungnahme der Fachstelle Häusliche Gewalt des Eidg. Büros für die Gleichstellung von Mann und Frau zu Handen der „Council of Europe Task Force to combat Violence against Women including domestic violence“ vom Mai 2007 steht denn auch der lakonische Kommentar: “Hingegen ist mit einer grundlegenden Verbesserung des Aufenthaltsstatus von gewaltbetroffenen Migrantinnen aus den so genannten Drittstaaten in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen.“ Die Rückmeldungen, welche unsere Migrationsexpertinnen aus dem Umfeld von betroffenen Fachstellen erhalten, bestätigen leider diese düstere Prognose aus dem Jahr 2007.

3. Der Beitrag der Zivilgesellschaft

Warum engagiert sich der cfd in der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen?
Ich spreche als Geschäftsleiterin des cfd zu Ihnen. Der cfd ist eine zivilgesellschaftliche Nichtregierungsorgansiation mit einem feministischen Profil. Wir führen mit Partnerorganisationen in Algerien und Marokko, in Israel und Palästina, in Bosnien und Kosova Empowerment-Projekte für Frauen durch und sind in der Schweiz in der Migrations- und Friedenspolitik tätig. Der cfd macht sich für einen geschlechtergerechten Zugang zu Ressourcen und zu gesellschaftlicher und politischer Beteiligung stark. Unsere Vision ist die eines guten Lebens für alle Menschen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Religion. Wir verstehen unser Engagement als Beitrag der Zivilgesellschaft, den oben erwähnten Auftrag zu erfüllen, nämlich die direkte wie auch die indirekte Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen.

16 Tage gegen Gewalt an Frauen
Vor 18 Jahren initiierte das Center for Women’s Global Leadership erstmals eine weltweite Kampagne «16 days of activism against gender violence». In den ersten Jahren lancierten 16 Tage-Aktivistinnen eine weltweite Petition mit der Forderung, Frauenrechte auf die Agenda der Menschenrechtskonferenz von 1993 in Wien zu setzen. Eine halbe Million Unterschriften aus 124 Ländern half mit, Frauenrechte als Menschenrechte und Gewalt an Frauen als Menschrechtsverletzung formell in die Schlussdeklaration aufzunehmen. Die Kampagne führte ebenfalls dazu, dass die UNO den 25. November seit 1999 offiziell zum Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt an Frauen erklärt. Lateinamerikanische Feministinnen machten seit den 80er Jahren Druck dafür, denn an jenem Datum wurden 1960 drei mutige Schwestern vom dominikanischen Geheimdienst ermordet.

Mit der Verbindung der beiden Daten, dem internationalen Tag der Gewalt an Frauen am 25.11. und dem internationalen Menschenrechtstag am 10.12. zu den 16 Tagen gegen Gewalt an Frauen soll gezeigt warden, dass die Anwendung von Gewalt gegen Frauen eine Menschenrechtsverletzung ist und dass Frauenrechte Menschenrechte sind, wie das Hillary Clinton an der UNO-Frauenkonferenz in Peking 1995 gesagt hat.

Seit 18 Jahren machen nun jährlich unzählige AktivistInnen mit verschiedenen Aktionen auf die Bedrohung von Frauen durch Männergewalt aufmerksam. Seit Beginn der Kampagne 1991 haben an die 2000 Organisationen in 137 Ländern mitgewirkt.

16 Tage seit 2008 auch in der Schweiz
Inspiriert durch das Engagement unsere Projektpartnerinnen, die diese 16 Tage schon lange mit Aktivitäten gegen Gewalt an Frauen füllten, haben wir vor einem Jahr das erst Mal diese Idee der 16-Tage gegen Gewalt an Frauen in der Schweiz lanciert und sind auf grosses Echo gestossen. Das hat uns so sehr motiviert, dass wir nächste Woche diese Kampagne in der Schweiz zum zweiten Mal starten. An über 65 Veranstaltungen in der Schweiz werden Beispiele direkter und struktureller Gestalt thematisiert. Dem Aufruf zur Beteiligung an den 16 Aktionstagen sind Frauen-, Männer- und Friedensorganisationen, Gewerkschaften, engagierte Kirchgemeinden und viele mehr gefolgt. Neben häuslicher und sexueller Gewalt, kommen Stalking, Sexismus in der Werbung, Frauenhandel, geschlechtsspezifische Diskriminierung und Lohnungleichheit, Militarisierung und Sicherheit zur Sprache.

Ziel der Kampagne ist, die Machtungleichgewichte zwischen den Geschlechtern abzubauen und somit der geschlechtsspezifischen Gewalt nachhaltig entgegen zu wirken.

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