Festrede zum 25-Jahr-Jubiläum

Caritas Luzern: 25-jährig und immer noch solidarisch!

Festrede zum 25-Jahr-Jubliäum der Caritas Luzern

Im März 1982 wurde der Verein Caritas Kanton Luzern gegründet und im Juni darauf wurde die Geschäftsstelle an der Alpenstrasse 4 eröffnet. Eigenartigerweise erinnere ich mich nicht daran, obwohl ich seit 1981 selber in einer Institution arbeitete, die eine Art Schwesterorganisation war, in der ARBAL, der Vorläuferin der heutigen Fabia.

Personen bei Caritas

Vielleicht lag das daran, dass die Caritas Luzern mit ihrer bescheidenen Stellendotation damals noch nicht soviel «Lärm» machen konnte, wie das später der Fall war. Der erste Geschäftsführer, der Paar- und Familientherapeut Josef Hirschi wurde nämlich nur zu 50% angestellt und ihm zur Seite stand ein Sektetär, Urs Freimann, mit einer ebenfalls nur 50%igen Beschäftigung. Interessanterweise gab es zusätzlich zu den beiden Festangestellten noch zwei freie Mitarbeitende mit befristeten Anstellungen, Li Hangartner und Beat Schmocker, ihnen wurden zwei Schwerpunktaufgaben zugeteilt, Familienplätze und Einelternfamilien.

Heute, 25 Jahre später beschäftigt die Caritas Luzern 166 Personen, die 150 DolmetscherInnen nicht mitgezählt. Sie kommen aus unterschiedlichen Kulturen, heissen Steger, Staubli, Willi, Cisotta, Gashi und Mazreku. Es fand also eine gewaltige Entwicklung von einem Zweimann-Büro hin zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen mit einer beispielhaften kulturellen Diversity statt. Diese soll ja laut neuen Managementlehren ein Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens sein. Ob da einer der Gründe für die Erfolgsgeschichte der Caritas Luzern ist? Auf jeden Fall ist es eine gute Sache, dass die Caritas beispielhaft ist, was die Beschäftigung von MigratInnen anbelangt. Ich habe es nicht ausgezählt und genau mathematisch berechnet, aber ein Blick auf die Namensliste des Personals sagt, dass die Caritas Luzern weit mehr als 15% - das ist der Ausländeranteil im Kanton Luzern - Personen mit Migratonshintergrund beschäftigt.

Aber frau wundert sich, was die Genderfrage anbelangt, ist Caritas Luzern noch nicht in der heutigen Zeit angelangt: in der Geschäftsleitung sind die Männer auch in der modernen Caritas immer noch ganz unter sich! Und das obwohl 60% der Mitarbeitenden Frauen sind! Da hat die caritas-interne Gleichstellungskommission noch ganz schön was zu tun!

Caritas Schweiz – Caritas Luzern: Mutter- Tochterverhältnis

Die Caritas Luzern ist wie alle Kantonalen «Caritassen» ein Kind der Caritas Schweiz, die heute 25-jährige Tochter hat sich im Laufe der Jahre von der Gründermutter emanzipiert und steht ganz fest auf eigenen Füssen. Da die Mutter den gleichen Namen und ihren Hauptsitz ebenfalls in Luzern hat, kam es immer wieder zu Verwechslungen und ich habe im Laufe meiner vielfältigen Kontakte zu Caritas-Mitarbeitenden immer wieder erlebt, dass man grossen Wert darauf legt, dass es sich bei Caritas Luzern und Caritas Schweiz um zwei verschiedene Paar Schuhe handelt. Ich wette dass ganz viele Leute das auch nicht auseinander halten können, das hat Vorteile wenn man vom guten Namen der Mutter imagemässig profitiert, hat aber auch Nachteile, wenn die Mutter vor allem über ihre Asylpolitik wahrgenommen wird und potentielle Spender sich darüber ärgeren, dann kann dieser Ärger auch die Tochter treffen.

Wichtiges Thema: die Asyl- und Flüchtlingspolitik

Auch für mich war es nicht immer ganz einfach auseinander zu halten, welche Caritas was macht, denn beide hatten irgendwie mit Asyl und Flüchtlingen zu tun und das war denn auch das Unterscheidungsmerkmal zwischen der ARBAL und der Caritas: die ARBAL kümmert sich um AusländerInnen heute würde man sie MigrantInnen nennen, die Caritas um Flüchtlinge. Das war aber nur der grobe Raster, in Tat und Wahrheit war es viel komplizierter: die eine Caritas kümmerte sich im Kanton Luzern um die anerkannten Flüchtlinge und beide um die Asylsuchenden und ihre Unterbringung, die eine leistete persönliche und wirtschaftliche Sozialhilfe, die andere führte Zentren und hatte eine Fachstelle für Gesundheit. Aber das ist auch bereits Geschichte, Schnee von gestern: die von der Caritas Schweiz geführten Zentren Sonnenhof und Withentor sind der Caritas Luzern übergeben worden und jetzt ist alles viel einfacher: der ganze Asylauftrag ist nun in den Händen der Caritas Luzern und alle nicht Insider sind erleichtert, dass dieses mühsame Auseinanderhalten nun endlich ein Ende hat! Viel Glück bei der schwierigen Aufgabe!

Da die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen vom Kanton an die Caritas delegiert worden ist, trägt die Caritas auch das ganze «Schwankungsrisiko». Damit meine ich keine Börsengeschäfte, sondern das Risiko, dass die Caritas bei schwankenden Asylzahlen die Betreuung und Unterbringung mal hoch fahren, mal abbauen muss und damit ihrem Personal gegenüber sich nicht immer als verlässliche Arbeitgeberin verhalten kann, auch wenn sie es noch so wollte. Ein schlauer Schachzug der öffentlichen Hand, so bleibt das Risiko nicht beim Kanton oder den Gemeinden, sondern bei der Caritas. Nicht ganz ohne! Das zweite Risiko, das mit dem starken Engagement der Caritas im Bereich der Flüchtlinge einhergeht, ist ein politisches und damit ein spendenrelevantes!

Probleme im kirchlichen Herkunftsmilieu

Die Caritas mit starken Wurzeln im katholischen Milieu – die röm.-kath. Landeskirche ist auch heute noch Hauptträgerin der Caritas und ein Bistumsvertreter sitzt im Vorstand - hat sich mit ihrem Einstehen für Flüchtlinge und Asylsuchende im katholischen Herkunftsmilieu nicht nur Freunde geschaffen. Ich habe als Politikerin immer wieder erlebt, dass die Caritas mit dem Thema Flüchtlinge sehr stark identifiziert und ihr das Engagement für eine menschliche Asylpolitik übel genommen wurde. Ich habe erlebt, dass ein C-Politiker aus dem Kanton Luzern in Bern besorgt nachfragte, ob es denn richtig sei, dass die Caritas öffentliche Gelder bekomme, da sie doch die offizielle staatliche Flüchtlingspolitik nicht nur nicht mittrage, sondern im Gegenteil, offensiv bekämpfe.

Es ging also irgendwie darum, der Caritas den Geldhahn abstellen zu wollen, denn Geld befiehlt immer noch! Und eine solche Drohung ist ja nicht ganz ungefährlich, lebt die Caritas Luzern wie viel andere NGOs auch zu einem schönen Teil von öffentlichen Aufträgen, sprich öffentlichen Geldern. Einigen frommen, kirchennahen Politikern ist das Engagement der Caritas für Migrantinnen und Asylsuchende schon lange ein Dorn im Auge. Das soll uns nicht verwundern. Wir wissen es jetzt auch noch wissenschaftlich belegt, seit es Sandro Cattacin von der Universität Genf untersucht hat: es lässt sich eine Korrelation zwischen fromm sein und Fremdenfeindlichkeit feststellen. Provokativ gesagt: fromm sein schützt nicht vor Fremdenfeindlichkeit, im Gegenteil! Das heisst für die Caritas immer wieder, auf dem Grat zu wandern. Sie, die ihre Wurzeln im katholischen Umfeld hat, hat mit ihrem Einstehen für die Armen dieser Welt nicht allen kirchennahen Leuten immer gefallen. Das ehrt sie! Sie hat selbstverständlich auch aus kirchennahen Kreisen immer wider gewichtige Unterstützung erhalten. Die Bischofskonferenz, in Sachen Frauenpriestertum, Zölibatsabschaffung und Laientheologie recht rückwärtsgewandt, war im Engagement gegen die Verhärtungen im Asyl- und Ausländerrecht immer wieder eine gute Verbündete der Caritas und kürzlich hat eine Kommission der drei Landeskirchen einen Brief mit kritischen Fragen zur Umsetzung des verschärften Asylgesetztes an den Luzerner Regierungsrat geschickt.

Neue Verbündete

Zudem hat die Caritas gerade wegen ihres Einstehens für Flüchtlinge die Unterstützung anderer gewonnen, die nicht so fromm sind, dafür in der gleiche Sache engagiert. Ich bin eine davon! Und dass ich heute die Festrede zum 25-jährigen Jubiläum halten darf und nicht einer der bürgerlichen alt- oder aktiv-Nationalräte ist vielleicht auch ein Ausdruck davon.

Lange Zeit war das für mich nicht so klar. Obwohl ich als Luzerner Politikerin die Anliegen der Caritas in Bern am konsequentesten vertreten habe, hatte ich doch immer den Eindruck, dass die Caritas lieber andere in den Vordergrund stellt und es hat viele Jahre gedauert, bis ich angefragt worden bin, am Flüchtlingstag einmal die offizielle Politrede zu halten.

Ich weiss um diesen Reflex der NGO-Welt. Ich kenne ihn aus der Umweltszene wie auch aus der Szene der sozial engagierten NGO-Welt: durch das Einbinden bürgerlicher Politikerinnen bei Reden und Kampagnen erhoffen sich diese, dass dann im entscheidenden Moment auch im Parlament der richtige Knopf gedrückt wird! Meine diesbezügliche Erfahrung ist ziemlich ernüchternd: entweder hat jemand das Herz auf dem rechten, sprich sozialen oder ökologischen Fleck und dann wird der richtige Entscheid getroffen oder jemand hat das Herz auf einem andern Fleck und dann nützt es nichts, wenn die Caritas Luzern ihm zehnmal am Flüchtlingstag das Rederecht gibt.

Ich bin sicher, in dieser Beziehung ist die Politik in den 90-er Jahren härter geworden. Das ganze Koordinatensystem ist nach rechts gerutscht und deshalb mein Appell an die Jubilarin: standfest bleiben! Auch wenn der Wind schroff ins Gesicht weht!

Kantonale Kommission für Integrations- und Ausländerpolitik

Ein gemeinsames Tätigkeitsfeld haben wir nun nicht mehr, die Caritas Luzern und ich: die Kantonale Kommission für Ausländer –und Integrationspolitik, in der ich seit ihrem Bestehen mit dem Geschäftsleiter Werner Riedweg sass. Wir waren gegenseitig froh umeinander, weil wir uns wunderbar ergänzten und ohne Absprache praktisch immer zu den gleichen Schlüssen kamen und uns für die gleichen Anliegen einsetzten. Nun wird diese Kommission abgeschafft und das Anliegen in eine Kommission für Gesellschaftsfragen integriert. Das kann man drehen und wenden wie man will, es ist eine schön geredete Sparübung und die Bedeutung der Integrationsfrage wird auf einen Teilaspekt gesellschaftlicher Probleme herunter verkleinert. Aber wen wundert das nach den Jahren der sich jagenden Sparrunden, welche den sozialen Institutionen das Leben schwer gemacht haben oder zynisch könnte ich auch sagen: diese Entwicklung hat sozialen Institutionen wie der Caritas auch neue KlientInnen zugespült.

Diversifizierung

Es ist eine eindrückliche Palette von Tätigkeiten, zu der sich die Caritas in den 25 Jahren ihres Bestehens durchgemausert hat: Sozialberatung (Ausländeranteil nur 15 %) mit dem Caritas-Lebensmittelladen, Begleitung in der letzten Lebensphase, Arbeitsintegrationsprogramme für Erwerbslose – wie in ihren Anfängen – Velodienst und Velowerkstatt. Achtung Velofahrer: wer sein Velo zu lange und falsch parkiert am Bahnhof stehen lässt, riskiert, dass es die Caritas abschleppt und nach Afrika exportiert! Die Caritas baut mit Leuten, die weit weg vom Arbeitsmarkt sind, neue Wege – zurzeit einen Wanderweg in Schenkon - um sie fit für den Arbeitsmarkt zu halten. Die Caritas bildet Migrantinnen aus und bereitet Leute auf die Einbürgerung vor. Sie pflegt ein Netz von 217 Freiwilligen, die zum Beispiel Nachhilfe für Kinder geben oder einsamen Menschen Gesellschaft leisten. Sie betätigt sich als Interkulturelle Vermittlerin und unterhält ein Dolmetschernetz von über 150 Personen mit Sprachen aus aller Welt. Die Caritas hat es geschickt verstanden, immer wieder neue Trends im Sozialbereich aufzunehmen und erfolgreiche und finanzierbare Projekte daraus zu machen. Und das alles entstand aus einer Zwei-Mann-Anstellung vor 25 Jahren!

Aus einem Bericht der ersten drei Jahre geht hervor, dass damals 940 Personen materielle Hilfe im Wert von 28 170 erhielten und dass auf schriftliche Gesuche hin weitere 249 280 Franken bezahlt wurden. Heute hat die Caritas Luzern einen Umsatz von fast 40 Millionen, 34 Millionen erhält sie zur Erfüllung öffentlicher Aufträge, damit gehört sie zu den grossen Playerinnen im Luzerner Sozialsystem und ist die grösste NGO auf dem Platz Luzern. Wenn das keine Erfolgsgeschichte ist!

Den Wurzeln treu

Caritas Luzern beschäftigte sich in den Gründerjahren mit den Schwerpunkten Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit und Einelternfamilien. Damit war sie ihrer Zeit einiges voraus, denn die Themen Arbeitslosigkeit und Alleinerziehende wurden die grossen Themen der 90er Jahre, als die Schweiz von einer für sie ungewohnten Rezession durchgeschüttelt wurde. Überhaupt ist, seit die Caritas Luzern vor 25 Jahren gegründet wurde, ein starker sozialer Wandel im Gang. Die Volkszählungsdaten zeigen, dass sich in den letzten dreissig Jahren die Einpersonenhaushalte verdoppelt haben. Verändert hat sich auch die Altersstruktur unserer Gesellschaft. Aber auch in der Arbeitswelt hat sich vieles im Eiltempo verändert. Wer heute einen Beruf erlernt hat, hat nicht mehr eine Wahl für das ganze Leben getroffen, sondern wird sich – freiwillig oder unfreiwillig – bis zur Pension hin verändern und weiterbilden müssen. Aufgrund der Entlastungen bei den direkten Steuern und der Sparmassnahmen hat die Armut in der Schweiz zugenommen. Über 150 000 Menschen arbeiten in prekären Arbeitsverhältnissen. Die Zahl der IV-Renten hat sich seit 1990 um 100 000 auf 250 000 erhöht und das nicht, wie die aktuelle Propaganda uns weismachen will, wegen grassierendem IV-Missbrauch, sondern weil die soziale Kälte und der Druck in der Arbeitswelt dermassen zugenommen haben, dass es immer weniger Leute darin aushalten und krank werden. In der reichen Schweiz müssen zudem rund 13% der Personen im Erwerbsalter als arm bezeichnet werden, davon die Hälfte, obwohl sie einer Erwerbsarbeit nachgehen. Da ist doch wohl einiges aus den Fugen geraten!

Diese Fakten sind der Caritas bekannt. Ihr Motto des 25-jährigen Bestehens heisst denn auch folgerichtig: wir bleiben solidarisch! Es gibt noch soviel zu tun! Bleibt dran! Wir rechnen mit euch, auch in den nächsten 25 Jahren! Und viel Glück beim Anpacken neuer Aufgaben, euch gehen ja die neuen Ideen nicht aus, bin gespannt wie das Projekt Kultur-Legi vorankommt! Damit macht ihr nicht nur den Kultur-Legi-BenützerInnen, sondern auch euch selber ein schönes Geburtstagsgeschenk!

Herzliche Glückwünsche zum Geburtstag!

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