Die Asylmissbrauchsinitiative ist ein radikaler Bruch mit der Genfer Flüchtlingskonvention

| Eintretensvotum von Cécile Bühlmann für die Grüne Fraktion an der Frühjahrssession 2002

Die Asylmissbrauchsinitative ist ein radikaler Bruch mit der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Initiative der SVP gibt vor, den Missbrauch zu bekämpfen, dabei schafft sie viel neue unlösbare Probleme. Sie bedeutet die faktische Abschaffung des ohnehin schon strengen Asylrechts.

Es ist ein ziemlich schwer verdaulicher Brocken, den uns die SVP-Fraktion hier serviert. Da in absehbarer Zeit die aussenpolitischen Themen kein Profilierungsfeld mehr bieten, ist die SVP mit der Asylthematik natürlich im Jahr vor den Wahlen strategisch gut positioniert. Unter diesem Aspekt muss man denn auch diese Volksinitiative politisch einschätzen.

Es geht der SVP-Fraktion, in der ganzen Migrations- und Ausländerpolitik ja nicht primär um das Lösen von Problemen, obwohl sie das immer wieder zu tun vorgibt, sondern es geht eben darum, hier drin "Volkes Stimme" zu vertreten. Es geht darum, ein Thema, das Emotionen auslöst, das Wählerzulauf garantiert, immer wieder auf die politische Agenda zu setzen.

So ist denn auch der Inhalt der Volksinitiative zu verstehen. Es geht nicht um das Lösen von Problemen in der Asylpolitik, sondern es geht darum, mit möglichst scharfen Positionierungen Forderungen aufzustellen, die in der Praxis völlig untauglich sind. Sie können sich doch im Ernst nicht vorstellen, dass die Forderung, auf die Gesuche von Asylsuchenden, die über ein sicheres Drittland eingereist sind, sei nicht mehr einzutreten und solche Personen seien in diese Länder zurückzuschaffen, von den Nachbarländern akzeptiert würde! Es geht nicht darum; es geht um die faktische Aushöhlung des Asylrechtes. Denn im Klartext würde die Annahme der Volksinitiative bedeuten, dass die Schweiz auf fast keine Gesuche mehr eintreten müsste, weil Asylsuchende ja nicht vom Himmel fallen, sondern über ein Nachbarland ins Binnenland Schweiz einreisen müssen.

Das heisst in der Praxis: Die Schweiz tritt auf fast kein Asylgesuch mehr ein. Die Leute könnten aber nicht zurückgeschafft werden, weil - wie ich es schon gesagt habe - die Nachbarländer ohne entsprechendes Gegenrecht sie mit Bestimmtheit nicht zurücknehmen würden. Sie wären dann in der Schweiz ohne geklärten Status: Wenn auf ihr Gesuch nicht eingetreten werden kann, dann wären sie also auch nicht Asylsuchende, hätten also einen äussert prekären Status. Zudem weiss man: Je prekärer der Status einer Gruppe, umso grösser das Risiko, sich mit Diebstahl, Drogenhandel und anderen illegalen Methoden über die Runden zu bringen. Damit wären die Leute dann genau dort, wo die SVP sie haben will, um ihnen wiederum den Missbrauchsvorwurf machen zu können. Das ist ein ziemlich durchschaubares Spiel.

Die SVP behauptet immer, dass 90 Prozent der Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller das Asylrecht missbrauchen würden. Faktisch ist es aber so, dass aufgrund unseres strengen Asylverfahrens nur 10 Prozent der eingereichten Asylgesuche bei diesem strengen Verfahren heraus gefiltert werden. Wenn alle anderen 90% das Asylrecht missbrauchen würden, dann gäbe es ja gar keine vorläufig Aufgenommenen! Denn vorläufig aufgenommen zu werden, heisst doch, dass es Leute gibt, die nicht zurückgeschafft werden können, weil ihnen zu Hause möglicherweise Tod und Folter drohen. In solchen Fällen von Missbrauch zu reden, ist zynisch!

Das alles weiss natürlich auch die SVP, aber es tönt natürlich gegenüber der eigenen Wählerschaft gut, als jene aufzutreten, die den Asylsuchenden endlich «die Knöpfe eintun».

Lehnen Parlament und Bundesrat die Initiative ab, weil sie unbrauchbar ist, werden wir als diejenigen diffamiert, die den Asylmissbrauch nicht stoppen oder die Scheunentore aufmachen wollen. Ich höre die Propagandamaschine der SVP und der AUNS schon laufen. Ehrlicherweise sollte die SVP sagen, dass sie den Zugang zum Asylverfahren faktisch abschaffen und die wenigen Leute, die es dann irgendwie doch noch schaffen, noch mehr an die Kandare nehmen will. Der Umstand, dass auch jenen 10 Prozent der Asylsuchenden, die heute durch strenge Asylverfahren herausgefiltert werden und Asyl bekommen, kein Asylverfahren mehr gewährt würde – sie würden gar nicht mehr zugelassen, wenn sie über einen sicheren Drittstaat einreisen –, beweist eigentlich, dass es Ihnen nicht um die Missbrauchsbekämpfung geht.

Es geht der SVP darum, sich neu zu positionieren, in einem Feld, das Wählerzulauf verspricht; das ist ganz klar. Die aussenpolitischen Themen sind im Moment nicht mehr auf der Traktandenliste. Es mag für die SVP gut sein, wenn sie das aufgewärmte Asylthema wahlstrategisch wieder nützt; für das Klima in der Schweiz ist es aber sicher schlecht.

Aus all diesen Gründen gibt es nur eine deutliches Nein zu dieser Initiative. Wir Grünen werden sie aus Überzeugung bekämpfen.

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