Kolumne 60plus: Vom Siezen

| Kolumne erschienen auf der Website von Luzern60plus

Vom Duzen und Siezen

Werden Sie gerne von Unbekannten geduzt? Ich nicht, mich stört das ziemlich! Und doch passiert es immer wieder, wenn ich in mein Lieblingssportgeschäft gehe. Dort werde ich notorisch geduzt, obwohl die Leute, die mich dort beraten und bedienen, vom Alter her meine Kinder oder fast schon meine Enkel sein könnten. Es irritiert mich jedes Mal wieder, wenn ich gefragt werde: Kann ich dir helfen? Welche Grösse brauchst du denn? Suchst du eine bestimmte Farbe? Meine Taktik, auf dieses mir «zu-nahe-Treten» zu reagieren ist, dass ich laut und deutlich siezend antworte: Können Sie mir dieses Paar Schuhe in Grösse 38 bringen? Haben Sie diese Jacke auch in einer anderen Farbe als rot? Ein paarmal ist es passiert, dass die Angestellte meine Botschaft verstanden und aufs Siezen wechselten. Ich mache mir inzwischen fast so etwas wie einen kleinen Sport daraus: checkt er/sie es oder nicht? Meistens aber wird es nicht gecheckt und so gehen diese Verkaufsgespräche mit einem leichten Frust zu Ende.

Sie denken jetzt, ich soll doch statt mich zu ärgern einfach das Geschäft wechseln. Das ist nicht so einfach, da es sich wie gesagt um mein liebstes Sportgeschäft handelt. Ich habe aber mal zurückgemeldet, dass mir das geduzt werden nicht gefällt und kurze Zeit hat es genützt. Wahrscheinlich erging damals die Order ans Personal, dass die Frau Bühlmann nicht geduzt werden soll. Da aber immer wieder neue Leute im Verkauf tätig sind, kann das natürlich auf Dauer nicht funktionieren. Es muss sich um eine Philosophie im Umgang mit der Kundschaft handeln und nicht um eine Spezialbehandlung von mir. Ich weiss nämlich von andern Leuten ü60, dass sie das geduzt werden auch stört.

Ich bin es mir nicht gewöhnt, von unbekannten Menschen geduzt zu werden. Deshalb empfinde ich es als distanzlos, in einem Laden vom Personal einfach mit Du angesprochen zu werden. Interessanterweise geschieht das vor allem In Sportgeschäften und in gewissen Beizen. Hingegen wäre es unvorstellbar, am SBB-Schalter, im Supermarkt oder in der Bäckerei – es ist mir jedenfalls noch nie passiert. Aber die Duziskultur gilt auf geführten Bergtouren und in SAC-Hütten, da sagen alle Du zueinander. Das finde ich okay, da ist man in einer Art kollegialer aber unverbindlicher Schicksalsgemeinschaft miteinander unterwegs und am Schluss trennen sich die Wege wieder. Ich vermute, dass Sportgeschäfte deshalb auf die Du-Variante gekommen sind, weil die Verkaufsgespräche wie eine Art Vorbereitung auf die Bergtour und den damit verbundenen Groove gestaltet werde sollen.

Ich kann auch gut verstehen, dass junge Leute es komisch fänden, wenn man ihnen im Sportgeschäft oder in ihrer Bar Sie sagen würde. Unter Jüngeren geht man mit dem Du und dem Sie ganz anders um. Das Dilemma kennen auch Nonprofit-Organisationen, die ihre Spenderinnen und Spender im Internet ansprechen. Greenpeace, bei der ich selber Präsidentin bin, hat nach einer gründlichen Güterabwägung aufs Du umgestellt, um junge Menschen adäquater anzusprechen. Ich bin immer noch jedes Mal leicht irritiert, wenn ich im Greenpeace-Newsletter mit «Hallo Cécile» und nicht mehr mit «Liebe Frau Bühlmann» angesprochen werde. Umgekehrt ergeht es einem 18-Jähriger Supporter, der mit «Lieber Herr Meier» angesprochen wird. Im Internet ist es nicht so einfach, weil man das Alter nicht kennt. Im Sportgeschäft könnte die Devise ja heissen, dass man bei älteren Kunden «Sie» und bei jüngeren «Du» sagt. Ist doch nicht so schwierig, oder?

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