Kolumne 60plus: Tourismus

| Kolumne erschienen auf der Website von Luzern60plus

«Der Tourismus hat ein Problem»

So hiess der Titel des Vortrages im Rahmen der „Neubad-Lecture“, gehalten von Valentin Groebner, Professor am Historischen Seminar Luzern. Mit spürbarer Lust an der Provokation stieg er mit einem Zukunftsszenario ein, in dem er minutiös beschrieb, wie im Mai 2020 als TouristInnen verkleidete AktivistInnen Angriffe auf Touristencars und Touristengruppen verüben, wie sie zuerst die Windschutzscheiben der Cars verkleistern, dann Touristengruppen damit bewerfen und wie die Berichterstattung über diese Attacken sich in Windeseile medial und viral weltweit verbreiten. Seine Beschreibung der Aktion war so wirklichkeitsnah, - man erfuhr sogar wo und zu welchem Preis der klebrige Dreck zu kaufen sei - , dass es fast wie eine Handlungsanleitung anmutete...

Dann ging er zu den Fakten über, indem er einen kritischen Blick auf den Tourismus warf und seine immer währenden Versprechen, unberührte, vom Wandel der Zeit verschonte authentische Orte zu finden, gnadenlos sezierte. Den Verantwortlichen der Tourismusindustrie hielt er einen ungeschminkten Spiegel vor: er entlarvte diese Versprechen als rückwärtsgewandte, kitschige Kulisse, die heile Welten verkaufe, ohne die negativen Seiten der Tourismusindustrie wie die prekären Arbeitsbedingungen der Beschäftigten oder überlastete Infrastrukturen auch nur mit einem Wort zu erwähnen.

Anhand der Tourismusgeschichte Luzerns zeigte er das Kontinuum dieser Versprechen seit den Anfängen des Tourismus in unserer Region. Seine Analyse gilt für andere touristische Hotspots auf der Welt natürlich genauso.

Dann warf er einen Blick auf unsere eigene ambivalente Rolle: hier sind wir Bewohnerinnen einer Tourismushochburg, welche sich manchmal über die vielen Touristen nerven - gehen wir selber auf Reisen in touristische In-Destinationen, spielen wir dort die Rolle derer, die beim Besuch des malerischen Wochenmarktes die dortigen Einheimischen genauso stressen. Und wir SchweizerInnen können uns als wohlhabendes Land häufige Reisen gönnen!

Professor Groebner gab seiner Verwunderung Ausdruck, dass angesichts der massiven Auswirkungen auf die Stadt und ihre Bewohnerinnen, die Politik die Tourismusbranche nicht stärker steuere. Auf eine Frage aus dem Publikum, wie denn das gehen könne, nannte er das Beispiel von Bhutan, etwa gleich gross wie die Schweiz, welches exorbitante Preise verlange für alle, die das Land bereisen wollen und sich so vor dem Billig- und Massentourismus schütze.

Der Zufall will es, dass gerade in diesen Tagen, die Stadt Luzern im Hinblick auf die neue Tourismus-Strategie eine Bevölkerungsbefragung durchführt, um den Puls der Bewohnerinnen bezüglich Tourismus zu fühlen. Voll motiviert nach dem Vortrag von Herrn Groebner klinkte ich mich in die Umfrage ein. Da waren die drei Fragen zu beantworten:

  1. Was sind aus ihrer Sicht die positiven Aspekte des Tourismus in der Stadt Luzern?
  2. Was sind aus ihrer Sicht die negativen Aspekte des Tourismus in Luzern?
  3. Wo besteht aus ihrer Sicht ein Handlungsbedarf und haben Sie Vorschläge für zukünftige Verbesserungen?

Ich hoffe, dass viele Leute daran teilnehmen und so ein repräsentatives Stimmungsbild zur Akzeptanz und zur Kritik am aktuellen Tourismusgeschehen entsteht. Denn obwohl der Tourismus das Leben in gewissen Teilen der Stadt stark verändert hat, ist meines Wissens die Bevölkerung noch nie gefragt worden, wie sie diese Entwicklung beurteilt. Eigentlich erstaunlich, finanzieren doch die Bewohnerinnen und Bewohner die „Kulisse“, vor der sich der Tourismus abspielt, in Form schöner Ortsbilder, Museen, Kulturstätten und Verkehrsinfrastruktur mit ihren Steuergeldern zu einem erheblichen Teil mit.

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