Holocaust-Gedenktag 27. Januar 2005 Universität Luzern

Moderne Gesellschaften und ihre Feindbilder – Was wir von der Erinnerung an den Holocaust lernen können

Einleitung

«Die erste russische Patrouille tauchte gegen Mittag des 27. Januar 1945 in Sichtweite des Lagers auf. – Es waren vier junge Soldaten zu Pferde; vorsichtig ritten sie mit erhobenen Maschinepistolen die Strasse entlang, die das Lager begrenzte. Als sie den Stacheldraht erreicht hatten, hielten sie an um sich umzusehen, wechselten scheu ein paar Worte und blickten wieder, von einer seltsamen Befangenheit gebannt, auf die durcheinander liegenden Leichen, die zerstörten Baracken und auf uns wenige Lebende. Wir lagen in einer Welt der Toten, um uns und in uns war die letzte Spur von Zivilisation verschwunden.»

So beschreibt Primo Levi, einer der wenigen Überlebenden des Holocaust in seinem Buch «Die Atempause» die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Primo Levi hat wie Jean Améry und andere weniger berühmte Überlebende, das Leben nach Auschwitz nicht mehr ausgehalten und sich Jahre später selber umgebracht. Er war durch diesen grauenvollen Abgrund der Zivilisation gegangen und ist die schrecklichen Bilder der Erinnerung nie mehr losgeworden.

Die Befreiung von Auschwitz, diesem Mahnmal des tiefsten Zivilisationsbruchs, jährt sich heute zum 60. Mal. Deshalb sind wir hier zusammengekommen.

Macht ein Holocaust-Gedenktag Sinn?

In der Einladung zu unserem Anlass steht: «Der Holocaustgedenktag soll dazu beitragen, die Genozide des 20. Jahrhunderts ins Bewusstsein zu rufen, den Respekt gegenüber Minderheiten und Andersdenkenden zu fördern und die Bedeutung der Menschenrechte darzustellen.» Der Grund für das heutige Gedenken ist also der 60. Jahrestag der Befeiung von Auschwitz und so kommen wir nicht um die Frage herum, ob Auschwitz als Metapher für alle Genozide und die daraus zu ziehenden Lehren für ein Verhindern ähnlicher Katastrophen tauglich ist oder nicht. In der jüdischen Presse wird diese Debatte sehr offensiv geführt.

In der «Jerusalem-Post vom 9. Januar wurde kategorisch ein Stopp der so genannten «Holocaust education» gefordert. Die Erfolge des Unterrichts über die Schoah seien nur mässig angesichts der Genozide nach der Schoah im 20. Jahrhundert. Obgleich sie im Bewusstsein der Menschen tief verankert sei, wollen oder können die meisten die Lehren aus der Geschichte einfach nicht ziehen. Im Artikel wird der inflationäre Missbrauch des Terminus sowohl von jüdischer wie von nicht jüdischer Seite moniert und dass weltweit eine Müdigkeit bezüglich der Holocaust-Thematik feststellbar sei, trotz des Angebots an Websites, Museen, Fernsehsendungen, Filmen und Büchern. Der Autor Elliot Jager verlangt sogar ein Moratorium.

Andererseits stellen Natan Snaider und Daniel Levy, die beiden Autoren des Buches «Erinnerung im globalen Zeitalter, der Holocaust» fest, dass die Schoah gerade wegen ihrer starken kosmopolitischen Omnipräsenz im Bewusstsein, als Chance für einen kosmopolitischen Moralstandard gelte.

Nach Meinung des israelische Historikers Jehuda Bauer soll die Erziehung über den Holocaust erstens den Kenntnisstand über diesen einzigarteigen Akt der Vernichtung erhöhen, zweitens das Gedenken an die Opfer erhalten und drittens Lehrpersonen und Lernende ermutigen, mit Bezug zur Gegenwart über die ethisch-moralischen Fragen, die der Holocaust aufgeworfen hat, nachzudenken.

Adorno seinerseits hat in seinem Essay über die Erziehung nach Auschwitz gefordert, dass Auschwitz nicht noch einmal sei und damit die Erziehung als allererstes in die Pflicht genommen: «Es ist die Barbarei, gegen die alle Erziehung geht.» Fazit: Gedanken zur Erziehung nach Auschwitz sind somit die aufbereitete Form der Frage nach dem Sinn und der Wesensart von Erziehung überhaupt. Erziehung nicht nur als Akkumulation von Wissen, sondern Bewusstseinswerdung und Transferierung historischer Prozesse und Begebenheiten für den heutigen Alltag.

Fazit dieser Reflexionen: nur wenn der Holocaust und seine Ursachen in Bezug zur Gegenwart gesetzt werden, macht «Holocaust education» Sinn.

Mit welchen Formen des Rassismus sind wir denn heute konfrontiert?

Die zwei klassischen historischen Rassismen sind einerseits der Antisemitismus, herausgewachsen aus der ursprünglich religiös begründeten Judenfeindlichkeit und der Rassismus gegen Schwarze und Farbige, verbunden mit der Kolonialisierungsgeschichte Europas. Deshalb wird Rassismus aus der Sicht der so genannten Dritten Welt als Phänomen wahrgenommen, welches vom weissen Europa aus die Welt überzogen hat und bis heute Ursache für die Ungerechtigkeit zwischen Norden und Süden ist. An der UNO-Weltkonferenz gegen Rassismus, welche 2001 in Durban stattfand, - an der es übrigens üble antisemitische Ausfälle gab - war denn auch für die schwarzen KonferenzteilnehmerInnen vor allem die Frage der Wiedergutmachung für das rassistisch motivierte Unrecht, das ihnen durch Kolonialismus und Sklaverei angetan worden war, ein wichtiges Thema. Sie forderten als Wiedergutmachung von den Ländern des Nordens einen Schuldenerlass und mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, ist es doch immer noch so, dass die Ausbeutung des Südens durch unfaire Preise und Kapitalflucht ein x-faches von dem ausmacht, was als Entwicklungsgelder vom Norden in den Süden fliesst. Zu einer Entschuldigung für vergangenes Unrecht rang sich die Staatengemeinschaft an der Konferenz zwar durch, von Forderung nach Wiedergutmachung hingegen wollte sie nichts wissen.

Es gibt nebst den historischen auch moderne Formen des Rassismus. Heute muss eher die Kultur herhalten als Argument des Andersseins und des Minderwertigseins. An Stelle des Begriffs der Rasse ist der der Kultur oder der Ethnie getreten. Und noch etwas ist dazugekommen: nebst dem Feindbild des Juden ist jenes des Islams aktuell geworden. Das Bild vom Zusammenprall der Kulturen, dem «clash of civilications» von Huntington, widerspiegelt diese Haltung: da stehen sich zwei Kulturen wie erratische Blöcke, die die Menschen unentrinnbar determinieren, aus denen sie nie ausbrechen können, hermetisch abgeschlossen und feindselig gegenüber und eine gewalttätige Auseinandersetzung ist unvermeidbar. Wir leben seit dem 11. September und ganz aktuell seit dem Mord am holländischen Filmemacher van Gogh mitten in einer Hochkonjunktur solchen Denkens.

Ich zitiere einen Hearingsteilnehmers am Hearing der Eidg. Kommission gegen Rassismus von gestern zum Thema Islam: «Muslime stehen unter Generalverdacht, Terroristen, Fundamentalisten oder Islamisten zu sein.» Damit Sie mich recht verstehen, ich habe nichtsübrig für Fundamentalisten, Terroristen oder Islamisten, aber ich wehre mich gegen alle Pauschalisierungen und gegen das in Sippenhaft Nehmen von Angehörigen irgendwelcher Minderheiten.

Was ist Rassismus?

Der Rassismus ist eine Ideologie, die ein Menschenbild der Ungleichwertigkeit vertritt. Im rassistischen Weltbild gibt es die «Guten» – das ist die eigene Gruppe - und die «Anderen», die minderwertig sind. In der Alltagspraxis gibt es verschiedene Stufen des Rassismus, von subtilsten Formen der Ausgrenzung, – zum Beispiel wenn Jugendliche mit ausländischen Namen keine Lehrstelle erhalten – der Nichtbeachtung, der Geringschätzung über verbale Attacken in Witzen, durch Verspottung und politische Verhetzung bis hin zu physischer Gewalt mit dem Ziel der Vernichtung des vermeintlich minderwertigen Anderen.

Demokratische Rechtsstaaten gehen vom Prinzip der Gleichwertigkeit aller Menschen aus. Das ist eine der ganz grossen Errungenschaften der Zivilisation, welche in der Menschenrechtsdeklaration ihren Niederschlag findet. Das ist übrigens der beste Export Europas, darauf können wir stolz sein. Da habe ich keine Mühe mit dem Eurozentrismusvorwurf: dass jeder Mensch das Recht auf physische und psychische Integrität haben soll, dass jeder Mensch leidet, wenn diese verletzt wird, wer kann denn da ernsthaft etwas dagegen haben?

Auch in den Verfassungen vieler Staaten findet sich diese Idee wieder, auch in der Schweizerischen Bundesverfassung.

Art. 8 BV Rechtsgleichheit

  1. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
  2. Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.

Rassistische Diskriminierungen jeder Art verletzen dieses Grundrecht auf Nichtdiskriminierung. Deshalb ist die Bekämpfung des Rassismus nicht als Hobby irgendwelcher «Gutmenschen» zu sehen, sondern als wichtige Aufgabe eines demokratischen Rechtsstaates. Ich finde es übrigens ungeheuerlich und alarmierend, wenn Menschen, die sich gegen Rassismus wehren, als Gutmenschen abqualifiziert werden

Der Staat hat zur Bekämpfung des Rassismus folgende Mittel eingesetzt:

  1. Der Beitritt zum Internationalen Abkommen gegen Rassismus
  2. Die Antirassismusstrafnorm 261 bis
  3. Die Eidg. Kommission gegen Rassismus
  4. Den Fonds gegen Rassismus und für Menschenrechte

Die hervorragende Broschüre «Holocaust-Gedenktag an den Luzerner Schulen» wurde auch mit Geldern aus diesem Fond mitfinanziert.

Alle diese Dinge sind nicht gesichert, in der Wintersession wurden im Nationalrat Vorstösse eingereicht, die Strafnorm und Die Kommission anzuschaffen und der Fonds ist auf Ende 2005 befristet, eine Weiterführung in der bisherigen Form sehr unwahrscheinlich.

Aber der Staat allein schafft das nicht, es braucht das Engagement aller an einem demokratischen Rechtssaat Interessierter.

Ursachen von Rassismus

Warum hat der Rassismus in den letzten Jahren wieder zugenommen? Da muss man vor allem ins letzte Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts zurückblenden, um eine Erklärung zu finden. In den 90er Jahren kumulierten zwei Krisenelemente: die grösste Rezession der Nachkriegszeit mit gegen 200 000 Arbeitslosen und Ausgesteuerten und eine enorme kulturelle und politische Verunsicherung, eine veritable Identitätskrise der Schweiz. Ausgelöst wurde diese Krise zu Beginn der 90er Jahre im Zusammenhang mit der EWR-Abstimmung durch die Diskussion um die europäische Integration und weiter genährt wurde sie in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts durch die Diskussion um die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Die Auseinandersetzung über den Platz und die Rolle der Schweiz in Europa wird in diesem Jahr wieder heftig geführt werden, stehen doch mit dem Abkommen von Schengen/Dublin und der Ausweitung der Personenfeizügigkeit auf die neuen EU-Staaten zwei weitere europapolitische Abstimmungen bevor und da zeichnet sich jetzt schon ab, dass sie Gegner dieser Abkommen mit der Angst, dem Feinbild der bedrohlichen Fremden aus dem Osten operieren werden, den Kriminellen aller Länder, die wie Heuschrecken in unser Land einfallen werden, wenn wir Schengen beitreten. Und diese Ängste fallen dann auf guten Boden, wenn es nicht gelingt, den Leuten Sicherheit zu geben, Sicherheit vor Lohndruck z.B. mit guten flankierendenMassnahmen.

Was lässt sich daraus ableiten? Die Häufigkeit und Heftigkeit des Diskurses über Fremde und Fremdes und die Ablehnung und Ausgrenzung nimmt dann zu, wenn viel Verunsicherung herrscht im Land. Die populistische These, dass die hohen Ausländerzahlen schuld an der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit seien, lässt sich weder historisch noch wissenschaftlich beweisen. Plausibler hingegen sind die folgenden Aussagen:

  • «Je grösser die Desintegrationsprobleme in der aufnehmenden Gesellschaft sind, desto grösser sind auch die Integrationsprobleme der Aufzunehmenden.» (Wilhelm Heitmeyer)
  • «Ein genügend problemloser Umgang mit dem Fremden setzt die Existenz einer stabilen eigenen Identität voraus.» (Gaetano Romano)
  • «Die zunehmende Fremdenfeindlichkeit hat ihre Ursache hauptsächlich nicht in der Zahl der anwesenden Ausländer, sondern in Verelendungsängsten, Perspektivelosigkeit und in der Schwierigkeit, Modernisierungsprozesse zu verarbeiten.» (Georg Kreis)
  • «Der moderne Rassismus entsteht als Antwort auf die Zumutungen der Moderne.» (Andreas Wimmer)

Diese Analysen sind nicht eine Erfindung unsere Zeit. Schon Hannah Arendt versuchte den aufkommenden Faschismus der 30er Jahre so zu erklären: «Die zunehmende Verlassenheit treibt den modernen Menschen so leicht in die totalitären Bewegungen.»

Wenn alle diese gescheiten Leute recht haben, – und davon gehe ich aus – dann ist auch in Zukunft mit einem stark rassistischen, fremdenfeindlichen Diskurs in der Schweiz zu rechnen, denn die Phänomene der Desintegration werden durch die zunehmende Mobilität, durch das Auflockern der Bindungen an traditionelle Milieus wie Familien, Kirchen, Vereine, Gewerkschaften tendenziell eher zu- statt abnehmen. Die Globalisierung der Wirtschaft trägt zu dieser Desintegration ebenfalls bei, da für die globalisierte Wirtschaft der mobile Mensch ohne mobilitätsbehindernde soziale Bindungen der ideale Mensch ist. Die, welche nicht zu den Gewinnern in diesem Globalisierungswettbewerb gehören und sich auf der Verliererseite wiederfinden oder befürchten, zu den zukünftigen Verlierern zu gehören, sind anfällig für einfache Erklärungen für ihre Entfremdung und Entwurzelung: das Fremde und die Fremden. Menschen ohne wirtschaftlich gesicherte Perspektive und voller Angst vor der Zukunft sind kaum offen und neugierig für Neues und Unbekanntes und je mehr Bekanntes ihnen abhanden kommt, umso mehr wächst die Angst vor Neuem, ein Teufelskreis!

Eine schlechte Wirtschaftslage, Perspektivelosigkeit und Zukunftsängste allein genügen jedoch nicht, das gesellschaftliche Klima so zu verschlechtern, wie wir es seit den 90er Jahren erleben, es braucht auch die entsprechende Politik, die solche Erklärungsmuster anbietet. «Schüren und Hetzen ist einfacher als aufklären» sagte einmal Alfred Bodenheimer, der an dieser Universität unterrichtet hat.

Das verhindert eine offene und faire Debatte über die Probleme und Schwierigkeiten, die das Zusammenleben in einer multiethnischen Gesellschaft mit sich bringt. Es gibt tatsächlich teilweise unterschiedliche Vorstellungen über den Umgang mit Konflikten, über Geschlechterrollen, über den Grad der Anpassung an hiesige Lebensformen, es gibt desintegrierte, in Banden auftretende Jugendliche der zweiten Generation, die andere Jugendliche bedrohen und anpöbeln und junge Frauen belästigen, es gibt gewalttätige Auseinandersetzungen unter ausländischen Männern, die ihre Ursache oft in ethnischen und politischen Konflikten in deren Herkunftsländern haben. Probleme dieser Art sind Teil des Alltags in heterogenen Gesellschaften wie die Schweiz heute eine ist und sie sind weder zu verharmlosen noch zu übertreiben. Die Frage ist viel mehr, wie wir mit diesen realen Schwierigkeiten umgehen. Ein Wundermittel gibt es nicht, aber eines ist sicher: schüren und hetzen sind der falsche Weg und schaffen mehr Probleme als sie lösen. An der Integration und der Auseinandersetzung um gemeinsame verbindliche Werte führt kein Weg vorbei.

Schule und Rassismus

Ich möchte noch einen kurzen Blick auf die Schule werfen, denn die Schule ist keine Insel der Glückseligen, sondern Teil der Gesellschaft. Und als solcher ist die Schule auch Spiegel dessen, was in der Gesellschaft passiert und alle Fragen und Probleme tauchen früher oder später auch in der Schule auf.

Plötzlich trägt ein Schüler sehr kurze Haare, Springerstiefel und eine Bomberjacke, vielleicht mit ein paar Abzeichen darauf. Auf die Frage der Lehrerin, was die Abzeichen bedeuten, weicht der Angesprochene aus. Es seien patriotische Zeichen, möglicherweise fügt er dann noch an, es sei übrigens nicht wahr, dass Hitler nur schlechte Seiten gehabt habe. Er wolle in der Schule mehr erfahren über den Zweiten Weltkrieg. Aber die Wahrheit und nicht nur das, was in den Geschichtsbüchern stehe. Er habe einen Kameraden, der....

Und schon sind Lehrperson mitten drin und können sich einer Auseinandersetzung nicht mehr entziehen. Denn Rassismus und Rechtsextremismus tangieren einen zentralen Grundwert unseres Bildungssystems, geht dieses doch von einem Menschenbild aus, für das die prinzipielle Gleichwertigkeit aller Menschen gilt. Diese Grundhaltung prägt auch entscheidende Zielsetzungen des Gesetzes über die Volksschulbildung des Kantons Luzern, wie die folgenden Ausschnitte belegen:

  • «Die Volksschule richtet sich – ausgehend von der christlichen, abendländischen und demokratischen Überlieferung – nach Grundsätzen und Werten wie Freiheit, Gerechtigkeit, Toleranz, Solidarität und Chancengleichheit;
  • Sie fördert die Achtung und Verantwortung gegenüber sich selbst, den Mitmenschen und der Mitwelt;
  • Sie fördert das Verständnis für Religionen und Kulturen und weckt die Bereitschaft und die Fähigkeit, Konflikte gewaltfrei auszutragen und zu lösen.»

In der Erklärung der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) zu Rassismus und Schule wird die gleiche Grundhaltung postuliert:

«Die Schule hat zur Achtung vor den Mitmenschen, zur Toleranz unter religiösen u. a. Gruppen und zum Frieden unter den Völkern zu erziehen. Unterricht und Erziehung in der Schule wirken darauf hin, dass offene und versteckte Formen von Rassismus bewusst gemacht und bekämpft werden und dass die Begegnung mit fremden Menschen offen und angstfrei verlaufen kann.»

Die Schule kann sich auf verschiedenen Stufen, mit vielfältigen Mitteln und auf verschiedenen Wegen gegen Rassismus engagieren. Forschungsergebnisse belegen, dass die Vermittlung von Wissen zwar eine wichtige Basis bildet, dass aber Kenntnisse allein Fremdenfeindlichkeit und Rassismus nicht zu beseitigen vermögen. Vorgelebte Gewaltlosigkeit und Rücksichtnahme, gerade gegenüber schwächeren SchülerInnen, noch so gering erscheinende Ansätze praktizierter Demokratie und gegenseitiger Achtung, mutige und konsequente Solidarität mit Opfern von Ausgrenzung, Diffamierung und Diskriminierung sind unersetzliche Erfahrungen. Nebst dem Schutz der Opfer und der Wissensvermittlung ist auch die Haltung der Institution Schule wichtig. Es braucht eine institutionelle Stellungnahme in Form eines Leitbildes oder einer Charta, die klare Aussagen zu Rassismus macht.

Zum Schluss: Handlungsmöglichkeiten gegen Rassismus

Ich möchte Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, was Sie in Ihrem Alltag gegen Rassismus tun können.

Da gibt es die Ebene des Berufsalltags. Was ich zur Schule gesagt habe, gilt auch hier:

  • Es braucht eine klare Haltung der Institution (Leitbilder, Charta).
  • Es braucht Anlaufstellen für Opfer, da ist ein grosser Handlungsbedarf.
  • Soziale Institutionen und Bildungsinstitutionen sind prädestiniert, Öffentlichkeitsarbeit zu machen
  • Sie können sich einmischen, wenn rassistische Vorfälle in der Öffentlichkeit (Medien, Plakate, Inserate, Leserbriefe) passieren durch Stellungnahmen, Leserbriefe, Briefe an Urheber.
  • Sie können die so genannte Bystanderrolle ablegen, Zivilcourage an den Tag legen, indem Sie direkt intervenieren, wenn Sie Zeugen von Vorfällen im öffentlichen Raum werden.
  • Sie reagieren konsequent auf rassistische Äusserungen und Handlungen im privaten Umfeld und drücken Ihr Missfallen, ihre Nichtakzeptanz aus.
  • Sie können sich politisch engagieren in einer NGO oder Partei mit entsprechendem Programm.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Engagement für ein antirassistische Umgebung auch ein Stück Psychohygiene ist, um all das Destruktive, Menschenfeindliche auszuhalten, das vom Rassismus ausgeht. Manchmal wünschte ich einfach, dass wir mehr wären.

Lassen Sie mich zum Schluss Erich Fried zitieren:

Ich weiss
dass ich oft oder meistens
ausweichen will

Ich weiss auch
dass das verständlich ist
denn ich will leben

Aber ich weiss nicht mehr
ob man leben bleibt
wenn man ausweicht

Zurück